
            Ausstrahlung
              kann ein technischer Begriff sein: Eine Sendung wird ausgestrahlt. Dieses
              Modell, so haben wir gesehen, eignet sich nicht für die Verbreitung der
              Lebensqualitäts-Meme. Genauso wenig lassen sich die Menschen, die Lebensqualität
              zu ihrem Leitwert gekürt haben, als Bewegung organisieren, die straff hinter
              einer Fahne oder Standarte marschiert. Träger der Lebensqualitäts-Meme können
              nun mal keine Kollektive sein, sondern immer nur individuelle Köpfe.
            Weit
              besser als die Fahne eignet sich deshalb das Wirtshausschild als Symbol für die
              Ausbreitung der Idee Lebensqualität. Im Wirtshaus wird zusammen gesessen und
              geschwatzt, wird also gleichsam die Urform von Vernetzung zelebriert. Und bei
              diesem zwischenmenschlichen Austausch wird die zweite Bedeutung des Wortes
              Ausstrahlung relevant: Menschen mit großer Ausstrahlungskraft überzeugen
              besser.
            Diese
              Ausstrahlung ist ein Kind von Echtheit: Wer ein Anliegen authentisch vertritt,
              indem er es selber lebt, wird dieses Anliegen erfolgreicher verbreiten als
              jemand, der seine eigenen Ideen nicht selber lebt, oder sie, noch schlimmer,
              nicht einmal richtig verstanden hat. Von daher rührt mein Plädoyer dafür, sich
              mit dem Thema Lebensqualität mit den Mitteln der Selbstreflexion erst einmal vertieft
              vertraut zu machen, ehe man damit an die Öffentlichkeit tritt. Und auch mein
              Einsatz für vermehrte Transparenz rund um Lebensqualität basiert darauf, dass
              Menschen, denen ihr Anliegen offensichtlich vertraut ist, und die darüber viel
              wissen, eine überzeugendere Ausstrahlung haben.
            Damit
              will ich natürlich keineswegs dazu aufrufen, sich erst einmal ein Jahrzehnt
              lang zum Zwecke innerer und äußerer Studien zurückzuziehen, ehe man wieder die
              Klappe aufmacht und sich zum Thema Lebensqualität äußert. Schließlich lernen
              wir gerade durch Gespräche und Austausch, und ein Vergleich zwischen Ihren
              Antworten auf Fragen zur Lebensqualität (siehe vorangehendes Kapitel) und
              denjenigen Ihrer Mitmenschen kann sehr aufschlussreich sein. 
            Wenn
              bei Ihnen die Überzeugung genügend gereift ist, Lebensqualität sei ein
              sinnvoller Leitwert, und es lohne sich, sich eingehender mit dem eigenen
              Lebensqualitäts-Konto und dessen Killern und Förderern zu beschäftigen, dann
              besteht kein Grund, mit dieser Überzeugung hinter dem Berg zu halten. Reden Sie
              mit Ihren Mitmenschen darüber. Schreiben Sie einen Brief an Ihr Leibblatt oder
              Ihren Lieblingssender und fordern Sie mehr Beiträge rund um das Thema
              Lebensqualität. Verweisen Sie in einem Netz-Kommentar darauf. Gründen Sie eine
              entsprechende Gruppe bei Facebook. Besuchen Sie Websites zum Thema. Und, ganz
              wichtig, empfehlen Sie diese meine Ausführungen an Ihr eigenes Netz weiter...
            Scherz
              beiseite: Für die Ausbreitungsprozesse von Memen wie den unsrigen gibt es weder
              feste Regeln noch operative Pläne. Es handelt sich dabei um organische
              Prozesse, und die sind bekanntlich nicht mit dem Drücken einiger Knöpfe zu
              regeln. Sie entwickeln sich spontan und aus sich heraus. Worauf wir vertrauen
              dürfen.
            Eines
              steht jedoch schon fest: Meme mutieren während Ihrer Ausbreitung. Was Sie
              gemeint haben, ist nicht unbedingt das, was ankommt. Jeder neue Träger-Kopf
              wird die Lebensqualitäts-Meme gemäß seinen eigenen Erfahrungen und Bedürfnissen
              abändern. Und das ist ganz im Sinne des Erfinders.
            An
              der Kernbotschaft wird sich trotz dieser Mutationen nichts ändern:
              Lebensqualität ist wichtiger als Lebensstandard. Lebensqualität eignet sich
              hervorragend als persönlicher und als gesellschaftlicher Leitwert. In
              Lebensqualität zu investieren, lohnt sich. Das Modell des
              Lebensqualitäts-Kontos ist eine gute Methode, im eigenen Leben die
              Lebensqualitäts-Killer zu vermeiden und die Lebensqualitäts-Förderer gezielt zu
              suchen.
            Die
              Einsicht in die Wahrheit dieser Erkenntnisse wird sich zu einem Gutteil von
              selbst ausbreiten, denn der Tanz um das goldene Kalb hat sich definitiv als
              untauglich erwiesen, uns Identität, Orientierung und Sinn zu geben. Die Suche
              nach überzeugenderen Alternativen wird sich also fast zwangsläufig verstärken,
              und wer auf der Suche nach solchen Alternativen ist, stolpert eines Tages
              automatisch über den Leitwert Lebensqualität.
            Insofern
              entspricht der Werte-Wandel vom Lebensstandard zur Lebensqualität der Logik der
              kulturellen Evolution. Damit sind wir zwar auf der richtigen Seite, aber as
              bedeutet leider nicht, dass sich die Lebensqualitäts-Meme mit Sicherheit von
              allein ausbreiten werden, auch wenn wir die Hände in den Schoß legen. Gerade
              die kulturelle Evolution braucht ihre Agentinnen und Agenten, also Menschen,
              die Einsichten haben und diese weitergeben.
            Der
              Tanz um das goldene Kalb wird nur dann als Auslaufmodell ausgemustert, wenn
              eine überzeugende Alternative zur Verfügung steht – und wenn diese
              Alternative auch bekannt ist. Dass es diese Alternative in Form des Leitwerts
              Lebensqualität gibt, wurde in meinen Ausführungen hoffentlich einigermaßen
              stichhaltig nachgewiesen. Um sie bekannt zu machen, steht kein Moses 1.0 zur
              Verfügung. Die Ausbreitung dieser Erkenntnis kann nur von unten erfolgen, durch
              die Vernetzung von Menschen, die sie bereits in sich tragen, und durch deren
              Einsatz in leibhaftiger oder virtueller Kommunikation. 
            Die
              im Titel meiner Überlegungen gestellte Frage, wie wir gemeinsam den Wandel vom
              Lebensstandard zur Lebensqualität schaffen, lässt sich also ganz einfach
              beantworten: Indem Menschen wie Sie und ich ihn vorleben, darüber reden und als
              authentische Prototypen ansteckend wirken. Was eine ziemlich tief reichende
              Konsequenz hat, die Sie mit ziemlicher Sicherheit schon registriert haben: Sie
              sind Moses 2.0. 
            Na
              ja, jedenfalls auch. Niemand schafft diesen epochalen Wandel alleine. Deshalb
              ist im Titel auch bewusst von „wir“ und von „gemeinsam“ die Rede. Zum Glück
              sind wir schon viele. Nun müssen wir das nur noch merken und daraus
              entsprechendes Selbst-Bewusstsein schöpfen. Dann steht einer erfolgreichen
              Verbreitung der Meme vom Vorrang der Lebensqualität nichts mehr im Wege.
            Und
              sollte es doch langsamer gehen als erhofft, was meistens eintrifft, dann sollte
              uns dies Anlass zur Selbstbescheidung und zum Vertrauen in die sich selbst
              organisierenden Kräfte der kulturellen Evolution sein. Wie sagt es ein
              afrikanisches Sprichwort so schön? „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man
              daran zieht...“