Gigerheimat: Worte
Leitwert Lebensqualität

 

ALPHA / Der Kadermarkt der Schweiz / 15./16. Mai 2004 / Beilage von TagesAnzeiger und Sonntags-Zeitung


Wertschöpfung beginnt im eigenen Kopf

Leitwert Lebensqualität

Von Dr. Andreas Giger (*)


Während alle Welt über schrumpfende Märkte stöhnt, öffnen sich rund um einen unscheinbaren Begriff ungeahnte Potenziale: Lebensqualität wird künftig zum Leitwert profitabler Märkte.

Je länger je weniger kann das klassische Marketing verdrängen, dass die klassischen Wertschöpfungsprinzipien (Bedürfnisse und Wünsche) in absehbarer Zeit unweigerlich in die Sättigungsfalle führen, die von drei Seiten her zuschnappt:

Schrumpfende Märkte: Die demografische Kurve zeigt nach unten. Nur noch die Altersgruppe über 50 wächst, doch dort ersetzt der Bedarf nach Qualität zunehmend jenen nach Quantität.

Gesättigte Bedürfnisse: Die materiellen Grundbedürfnisse der Menschen sind weitgehend abgedeckt. Niemand kann mehr als ein Paar Schuhe aufs Mal tragen.

Ende der Wunschinflation: Mehr Konsum bewirkt nicht mehr automatisch mehr Lebensqualität. Und der Anteil an finanziellen Mitteln, der für die Erfüllung von Wünschen, zur Verfügung steht, schrumpft angesichts wachsender Kosten für die individuellen wie kollektiven Verpflichtungen.

Die Sättigungsfalle ist somit für eine Wirtschaft, die auf den Wertschöpfungsprinzipien "Bedürfnisse" und "Wünsche" aufbaut, durchaus real: Die Grenzen des Wachstums sind absehbar.

Der Ausweg aus der Sättigungsfalle

Das Wertschöpfungsprinzip "Werte" ist ganz einfach: Immaterielle Werte werden gegen materielle Werte eingetauscht. Das funktioniert seit uralten Zeiten: Schon die Höhlenbewohner haben Stammesgenossen durchgefüttert, die in Form von schön geschmückten Kleidern oder Ehrfurcht gebietenden Wandmalereien keinerlei zum Überleben taugliche materielle Werte schufen, sondern einen so ausschliesslich immateriellen wie Schönheit.

Daraus hat sich eine eigentliche Wertewirtschaft entwickelt, die Werte schöpft, indem sie Werte "produziert" und verkauft. Werte wie Sicherheit, Verlässlichkeit, Schönheit, Qualität, Klarheit, Orientierung, Sinn, Seelenheil, gutes Gewissen, Gesundheit, Lebensfreude, Respekt. Und so fort.

Die Wertewirtschaft ist längst Tatsache, sie erzeugt schon heute grössere Teile aller Wertschöpfung. Und im Wertschöpfungsprinzip "Werte" stecken noch ungeahnte Wachstumspotenziale.

Aufwertung der Werte

Bis etwa 1970 war das Leben der meisten Menschen in Mitteleuropa geprägt von der Formel: wenig Optionen, viel Orientierung. Das Leben verlief in mehr oder weniger vorgegebenen Bahnen. Dafür war die Orientierung einfach: sich an die gegebenen Verhältnisse anpassen. Dazu diente ein Kanon von Werten, der vorgegeben war, durch Kirche, Staat und Gesellschaft.

Erst danach wurde die Individualisierung breitenwirksam. Die Zahl der Wahlmöglichkeiten (Optionen) wuchs rasant, und ebenso rapide schwand der Einfluss jener Instanzen, die früher für allgemein verbindliche Werte gesorgt hatten. Das Individuum hatte fortan selber für seine Werte zu sorgen - und wusste nicht so recht wie. Höhepunkt dieser Orientierungslosigkeit war die Phase der New Economy, in der sich alle an den letzten verblieben Wert klammerten, den materiellen in Form von Mammon.

Der Drang nach immer noch mehr Optionen scheint gebremst, viele Menschen haben genug oder zu viel Wahlmöglichkeiten. Dagegen drängt das Orientierungsvakuum danach, gefüllt zu werden.

Werte sind genau das: Orientierungshilfen im Dschungel der Wahlmöglichkeiten. Wir alle sind zu Lebensgestaltern geworden und werden es noch mehr werden. Lebensgestaltung aber braucht Orientierung, braucht Entscheidungskriterien. Werte also. Eigene, individuelle, persönliche Werte, die jede und jeder Einzelne selber auswählen und zusammenstellen darf und muss.

Zersplitterung des Werteuniversums

Das Individuum ist durch die neue Unübersichtlichkeit im Universum der Werte zunächst überfordert und verwirrt, leidet unter der Qual der Wahl. Das ist nicht weiter erstaunlich, wenn man bedenkt, wie kurz die Zeit bisher war, sich an die völlig neuen Anforderungen im Zeitalter der Individualisierung anzupassen.

Solche Phasen der Verwirrung sind jedoch immer auch Phasen des evolutionären Lernens, in dessen Verlauf sich schliesslich eine neue Ordnung auf höherer Ebene entwickelt. Die evolutionäre Logik braucht die Werte als Orientierungs- und Entscheidungskriterien der freien und eigenverantwortlichen Individuen. Sie wird sich deshalb zwingend eine neue Ordnung im Chaos der Werte ausdenken, ein Werteuniversum, das sich um ein Zentrum in Form eines Leitwerts herum ordnen und vernetzen wird.

Folgend sieben empirisch begründete Gründe für die Eignung von Lebensqualität als Leitwert im Zentrum des Werteuniversums:

  • Lebensqualität eignet sich als Richtschnur für Lebensgestaltung
  • Lebensqualität betrifft das (ganze) Leben
  • Lebensqualität verbindet und lässt individuelle Spielräume
  • Lebensqualität ist wandlungsfähig
  • Lebensqualität ist optimierbar
  • Lebensqualität ist lernbar
  • Lebensqualität liegt im Trend

Wenn Lebensqualität mehr und mehr zum Wert aller Werte, zum Leitwert im Zentrum des Werteuniversums wird, dann werden Konsumentscheide mehr und mehr von einer Frage beherrscht: Verbessert dieses Angebot meine Lebensqualität, oder vermindert es sie ?

Die wichtigste marktwirtschaftliche Spielregel der Zukunft wird deshalb hart, aber gerecht sein: Wer die Lebensqualität seiner Kunden beeinträchtigt, fliegt raus. Wer sie verbessert, wird belohnt.

Die wichtigsten Lebensqualitätskiller sind: Zeitklau. Mangelnder Respekt vor dem Kunden. Beleidigungen für Auge und/oder Verstand. Alles, was nicht benutzerfreundlich ist. Mangelnde Durchschaubarkeit von Angeboten.

Lebensqualität der Kunden fördern

Lebensqualität verbessern kann alles, was das seelische und körperliche Wohlsein fördert, was das eigene Wissen vermehrt, alles, auf das man sich wirklich verlassen kann, was mehr "Eigenzeit" bringt, was wirklich Qualität hat und ist, was das Leben angenehmer, leichter und einfacher macht, was das Beziehungsnetz wachsen lässt, was Stress vermindert und was in der "Kunst des Lebens" weiter hilft.

Wer sich in den Kopf seiner aktuellen und künftigen Kunden hinein versetzen will, versetzt sich am besten in den eigenen Kopf. Denn es gilt: "Was Lebensqualität ist, kann jeder(r) nur für sich sagen."

Das bedeutet allerdings nicht, dass in den Köpfen anderer nicht ebenfalls viel Wissenswertes über Lebensqualität und wie man sie verbessert oder vermindert, steckt, Wissen, das allen Anbietern helfen kann, die Lebensqualität ihrer Kunden zu fördern statt sie zu vermiesen.

Für immer mehr Anbieter von Waren, Diensten und Werten wird sich in Zukunft die Frage nicht mehr stellen, ob sie in die Lebensqualitäts-Märkte eintreten wollen oder nicht. Vielmehr werden sie automatisch hineingesogen, weil sich immer mehr Märkte zu Lebensqualitäts-Märkten entwickeln.


*Andreas Giger lebt und arbeitet als selbständiger Zukunftsforscher und Zukunfts-Philosoph im appenzellischen Wald.

Die Trendstudie "Lebensqualitäts-Märkte" ist im April 2004 erschienen. Informationen dazu in der Spalte rechts und hier.


 

 

 

 

ZDF-online schrieb am 11.04.2004:

»Unternehmern rät die Studie dazu, das "Wertschöpfungsprinzip der Zukunft - Lebensqualität" - gezielt zu nutzen. Wie das geht, kann man zusammengefasst gleich im ersten Kapitel nachlesen. Danach ist die Sättigungsfalle in Deutschland bereits zugeschnappt; daher würden nun Werte wertvoll, Werte ud Leitwerte, die jeder braucht. Ein Leitwert könne "Lebensqualität" sein. Er sei gerade dabei, sich als solcher zu qualifizieren und profitabel zu werden, so der Report. Es folgen zukunftsphilosophische Hinterrgünde, empirische Analysen, Denkanstöße und eine Checkliste, ob man "fit" ist für die neuen Lebensqualitäts-Märkte.«

»Das schlimme ist: Der Mann hat recht, wenn er die Folgen des "Immer billliger - immer schlechter"-Trends für Arbeitsmarkt und Konsumenten aufzeigt. Das ist das frappierendste an der zweifellos interessanten neuen Studie des Zukunftsinstituts. Sie enthüllt Dinge, die wir wissen, und beschreibt Lösungswege, auf die jeder klar denkende Mensch selbst kommen kann.

Die Studie spricht aus, was alle denken. Das ist wie beim Märchen "Des Kaisers neue Kleider". Vielleicht hat sich der Autor das kindlich klare Denkvermögen bewahrt. Genial.«


Titel: "Lebensquailitäts-Märkte. Wege aus der Sättigungsfalle"

Fragestellung: Kann die Berücksichtigung des gesellscaftlichen Werts Lebensqualität die wirtschaftliche Entwicklung fördern ?

Zusammenfassung: Lebensqualität ist laut der Studie der Dreh- und Angelpunkt künftiger Wertschöpfungsprozesse. Da Lebensqualität sich als Topwert der Konsumenten darstellt, wird Produktkommunikation umso erfolgreicher sein, je mehr sie Angeboe transportiert, die ein Steigern der Lebensqualität signalisieren.

Kosten: 190.- Euro inkl. MwSt.

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